Herzinsuffizienz mit erhaltener Linksventrikelfunktion (HFpEF) oder das ‚steife Herz‘ blieb lange Zeit als Krankheit unentdeckt bzw. als eigenständige Entität nicht anerkannt. Spätestens seit der Zulassung lebensverlängernder Therapien in dieser Indikation ist die korrekte Diagnosestellung von hoher praktischer Relevanz und die Diskussion über die Eigenständigkeit bzw. Pathogenese der Erkrankung rein akademisch. Es handelt sich hierbei um ein komplexes Krankheitsbild, welches die gemeinsame Endstrecke unterschiedlicher internistischer Erkrankungen darstellt, eine davon ist der langjährige schlecht eingestellte Diabetes mellitus.
Generell wird die Herzinsuffizienz basierend auf der Messung der Pumpfunktion des linken Ventrikels in unterschiedliche Phänotypen unterteilt. Patientinnen und Patienten mit HFpEF haben per definitionem eine erhaltene oder „normale“ linksventrikuläre Pumpfunktion bei gleichzeitig gestörter Füllung des linken Ventrikels, welcher eine erhöhte Steifigkeit aufweist1,2. Laut aktuellen Leitlinien der europäischen kardiologischen Gesellschaft folgt die Diagnose der HFpEF vorgegebenen Diagnosekriterien: Symptome und/oder Anzeichen von Herzinsuffizienz; eine linksventrikuläre Auswurffraktion ≥50%, objektiver Hinweis auf strukturelle und/oder funktionelle Anomalie des Herzens vereinbar mit dem Vorliegen einer diastolischen linksventrikulären Dysfunktion/erhöhten linksventrikulären Füllungsdrücken, einschließlich erhöhter natriuretische Peptide (NT-pro BNP oder BNP)2.
Schätzungen zufolge leiden weltweit mehr als 64 Millionen Menschen an Herzinsuffizienz, wovon etwa 50 % an HFpEF erkrankt sind, mit steigender Tendenz in den letzten Jahrzehnten. Die Erkrankungshäufigkeit steigt mit dem Alter, und etwas mehr als die Hälfte aller Betroffenen mit HFpEF ist weiblich. Diabetes mellitus ist nicht nur einer der wichtigsten Risikofaktoren für HFpEF, sondern hat auch einen erheblich negativen Einfluss auf Krankheitsverlauf und Prognose. Etwa 45% aller Menschen mit HFpEF leiden an Diabetes mellitus1,2,9. Konkret konnte in klinischen Studien gezeigt werden, dass HFpEF-Patientinnen und Patienten mit Diabetes eine höhere Morbidität und Langzeitmortalität aufweisen als jene ohne Diabetes1,2,3,9.
Am allerbesten kann der Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein eines Diabetes mellitus und der nichterkannten Folgeerkrankung HFpEF anhand der Zufallsentdeckungen der ersten SGLT2-Inhibitor Studien aufgezeigt werden. SGLT2-Inhibitoren wurden ursprünglich als blutzuckersenkende Mittel zur Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2 entwickelt4. In der EMPA-REG OUTCOME Studie hatten angeblich herzgesunde Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 in der Verumgruppe ein deutlich geringeres Risiko für schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse als vergleichbare Patientinnen und Patienten in der Placebogruppe4. Schon aufgrund der Ereignishäufigkeit wurde evident, dass es sich bei den Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmern nicht ausschließlich um herzgesunde Diabetikerinnen und Diabetikern handeln konnte, viel eher ließen die Studienergebnisse auf eine hohe Rate von Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz, vermutlich bis dahin nicht diagnostizierte HFpEF, schließen4. Weitere wegweisende Studien wie die CANVAS und DECLARE-TIMI 58 bei Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 zeigten ähnliche Resultate5,6. Die EMPEROR-Preserved- und DELIVER Studien mit SGLT2-Inhibitoren sind die ersten Studien mit positiven Ergebnissen bei HFpEF mit und ohne Diabetes7,8. SGLT2-Inhibitoren stellen aktuell die Erstlinientherapie der HFpEF dar 1,2,9.
Der eindeutige Zusammenhang zwischen Diabetes mellitus und HFpEF und die Verfügbarkeit einer sehr effizienten medikamentösen Intervention ist genau jene Konstellation, die ein systematisches Screening nach sich ziehen sollte. Die Echokardiographie ist die empfohlene Screening-Methode für Menschen mit Symptomen einer Herzinsuffizienz und solchen mit Risikofaktoren für HFpEF1,9. Da Echokardiographie nicht immer verfügbar ist und Ergebnisse stark untersucherabhängig sind, kann Screening zunächst mit Hilfe des Biomarkers NT-proBNP orientierend eingesetzt werden10.
Grundsätzlich gilt es, an die oft unerkannte Spätfolge des Diabetes – HFpEF – zu denken, aktiv danach zu suchen und entsprechend möglichst früh im Krankheitsverlauf zu behandeln. Ob eine Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 mit SGLT2-Inhibitoren unabhängig von ihrer blutzuckersenkenden Wirkung die Entwicklung einer HFpEF verhindern kann, ist unklar. Fakt ist aber, dass einer optimalen Diabetestherapie neben der optimalen Kontrolle anderer Risikofaktoren eine bedeutende präventive Wirkung zukommt.
Mario Gerges, Diana Bonderman
von der 5. Medizinischen Abteilung mit Kardiologie, Klinik Favoriten, Wiener Gesundheitsverbund
Mit freundlicher Unterstützung von Roche Austria